Donnerstag, 14. Dezember 2023

Bayerns schwäbisches Erbe

Die Geschichte Bayerisch Schwabens muss anders erzählt werden als die Altbayerns oder Frankens. Während dort historische Linien ungebrochen vom Mittelalter bis heute führen, ist 'Schwaben' ein in der Geschichte versunkenes Land: einst Baierns Schwester-Herzogtum, zerfiel Schwaben im 13. Jahrhundert. Mehrere Staaten traten sein politisches Erbe an, darunter Baden und Württemberg, die Schweiz, sogar Frankreich, und bis ins 19. Jahrhundert auch Österreich. In napoleonischer Zeit erwarb Bayern—nach jahrhundertelangen, meist erfolglosen Versuchen, sich im vormaligen Schwaben festzusetzen—schließlich das Gebiet zwischen Lech und Iller, das heute den Regierungsbezirk Bayerisch Schwaben formt.

Antike Vorläufer: Sueben...

Julius Cäsar, Schwabenkrieger 

Was ist eigentlich ein ‚Schwabe‘? Der Begriff taucht—als lateinisch ‚Suebi‘—erstmals bei römischen Autoren auf: Julius Cäsar, Tacitus oder Ptolomäus nannten so germanische Stammesverbände, die gegen Rom Krieg geführt hatten. Wen genau die Autoren meinten, lässt sich heute nicht mehr eindeutig feststellen: die Sueben genossen hohes Ansehen ob ihrer Kampfeskraft, weshalb viele germanische Stämme als Sueben gelten wollten.

Geographisch und zeitlich entsprechen die Sueben den Elbgermanen: einer archäologisch definierten Gruppe, die um die Zeitenwende im heutigen Nordostdeutschland und in Böhmen lebte und ähnliche Kulturgegenstände—Kleidung, Keramik, Waffen—benutzte. Während der Völkerwanderung zog ein Teil der Elbgermanen nach Süden. Viele süddeutsche ‚Stämme‘—auch Altbayern und moderne Franken—haben elbgermanische Wurzeln. In diesem Wortsinn sind wir also alle Sueben, bzw. Schwaben.

... und Alamannen

Frühe Ausbreitung der Alemannen
Im dritten nachchristlichen Jahrhundert drängte eine neue Gruppe in die Weltgeschichte: die Alamannen. Um das Jahr 260 nutzen sie eine Krise des römischen Reiches, um die Römer aus dem heutigen Baden-Württemberg zu verdrängen .[1] Alamannen heißt „alle Männer“, was auf einen losen Zusammenschluss von Menschen deutet, und (noch) nicht auf einen ethnisch definierten ‘Stamm‘. Archäologische Funde legen nahe, dass die meisten Alamannen Elbgermanen waren, und damit Sueben.

In den folgenden Jahrhunderten bezeichneten ‘Schwabe‘ und ‚Alemanne‘ meist das Gleiche: im Frühmittelalter war ‚Alemanne‘ gebräuchlicher, später dann ‚Schwabe‘. Die heute übliche Begriffstrennung stammt aus dem 19. Jahrhundert, als die Badener Markgrafen nach Wegen suchten, sich von Württemberg abgrenzen. Fortan beanspruchten sie das Wort ‚Alemanne‘ für sich und nannten die Württemberger ‘Schwaben’. Historisch betrachtet führt diese Unterscheidung eher in die Irre.

Baierns Schwesterregion

Schwabens (bzw. Alemanniens) Frühgeschichte verlief weitgehend parallel zu der Baierns. Um das Jahr 500 verloren alemannische Verbände entscheidende Schlachten gegen den Frankenkönig Chlodwig und mussten sich seiner Vorherrschaft unterwerfen.[2] Chlodwigs Nachfolger setzte ‚Duces‘ aus fränkischem Adel ein, die Alemannien an ihrer Stelle verwalten sollten—es wurde zum Herzogtum.

Der Lech: mittelalterliche Verwaltungsgrenze

Am Lech grenzte das Herzogtum an das ebenfalls von den Franken eingerichtete Herzogtum Baiern. Im 6. Jahrhundert war dies noch eine reine Verwaltungsgrenze: greifbare Unterschiede zwischen Alemannen und Bajuwaren sollten sich erst später herausbilden. Im Süden endete das Herzogtum zunächst am Alpenrand. Schon bald aber rückten alemannische Siedler in die Bergtäler vor und verdrängten die romanisch-keltische Vorbevölkerung. Frühe Zentren alemannischer Kultur waren die Bischofssitze Konstanz und Augsburg. Dazu kamen Klöster: im 8. Jahrhundert Sankt Gallen und Reichenau, etwas später Kempten, Füssen und Ottobeuren.

Das erste Alemannen-Herzogtum endete tragisch. Im 8. Jahrhundert gerieten die Herzöge zunehmend in das Visier der Karolinger, welche die Macht im Frankenreich zentralisieren wollten.[3] 746 ließ der fränkische Hausmeier Karlmann im „Blutgericht von Canstatt“ einen Großteil des alemannischen Adels hinrichten und löste das Herzogtum auf. Baiern erlitt gut 40 Jahre später ein ähnliches Schicksal, diesmal vollzogen durch Karlmanns Neffen, Karl den Großen.

Erst Reichsland...

Schwaben und Hochburgund um 1000
Anfang des 10. Jahrhunderts starben die Karolinger aus, und prompt formten sich die Stammesherzogtümer neu. Hier aber enden die Parallelen Schwabens—wie es nun meist genannt wurde—mit Baiern. Während letzteres schnell wieder zum halb-souveränen Teilstaat wurde—ab 1180 unter der Führung der Wittelsbacher—verblieb Schwaben fest im Griff der Zentralmacht. 950 ignorierte König (und später Kaiser) Otto der Große den lokalen Adel und belehnte seinen Sohn Liudolf mit dem Herzogtum. Seitdem hatten meist diejenigen das Sagen in Schwaben, die auch die Geschicke im Reich bestimmten: Konradiner, Ottonen, Salier. Schwaben wurde zum Reichsland.

Die letzte große schwäbische Herrscherfamilie waren die Staufer. Fast 200 Jahre lang—von 1079 bis 1268—stellten sie den schwäbischen Herzog, beinahe ebenso lang den deutschen König. Der letzte Staufer, Konradin, ließ sich auf ein Kriegsabenteuer in Italien ein. Sein Onkel, Herzog Ludwig von Baiern-München, stellte ihm ein Heer zusammen, allerdings um den Preis der Verpfändung staufischer Gebiete. Konradin scheiterte und wurde auf dem Marktplatz von Neapel hingerichtet. Im Zuge des ‚konradinischen Erbes‘ fielen erstmals Gebiete westlich des Lechs an Baiern: Donauwörth, Gundelfingen, Lauingen, Schongau, die Herrschaft Schwabegg westlich von Landsberg.

Schwabens Ende
… dann zerbröselt. 

Mit dem Ende der Staufer zerfiel bald auch das schwäbische Herzogtum, denn niemand besaß danach genügend Autorität, um Schwaben unter seiner Führung zu vereinen. Ein Machtvakuum enstand, welches neuen Kräften erlaubte, sich auszubreiten. So formte sich im späten 13. Jahrhundert die Schweizer Eidgenossenschaft. Herrscher von bislang untergeordneter Bedeutung, wie die Württemberger Grafen, konnten ihr Territorium und ihren Einfluss erheblich ausweiten. 

Auch die bairischen Wittelsbacher hätten sich gern noch stärker an der schwäbischen Erbmasse bedient, doch trat ihnen ein ungewöhnlich fähiger Rivale entgegen: Rudolf von Habsburg, ab 1273 deutscher König.[4] Das Bollwerk, das Rudolf errichtete, sollte Baiern—von wenigen Ausnahmen (Mindelheim, Illertissen) abgesehen—mehr als 500 weitere Jahre aus Schwaben fernhalten.

Rudolfs anti-bairisches Bollwerk

Rudolf von Habsburg

Rudolf setzte auf Reichsunmittelbarkeit, um den Expansionsdrang seiner Konkurrenten einzudämmen: er unterstellte Territorien direkt dem König (=sich selbst), ohne dass ein Landesfürst dazwischengeschaltet gewesen wäre. Davon profitierten insbesondere Schwabens Städte. Mit dem Aufstieg von Handwerk und Gewerbe im Hochmittelalter hatten sie rasch an Bedeutung gewonnen. Ein selbstbewusstes Stadtbürgertum wollte seine Angelegenheiten selbst regeln. Der Weg zur Selbstbestimmung führte über das Bündnis mit dem König: Rudolf erhob u.a. Augsburg, Kaufbeuren, Kempten, Lindau und Memmingen zu Reichsstädten, unter seinem Sohn Albrecht kam noch Donauwörth dazu. Eine dichte Städtelandschaft entstand, die Ostschwaben noch heute charakterisiert, und die es vom benachbarten Altbayern unterscheidet. 

Dazu kam ebenfalls reichsunmittelbarer Kirchenbesitz: in Ostschwaben insbesondere das bischöfliche Hochstift Augsburg—das sich von Dillingen an der Donau bis nach Füssen am Alpenrand erstreckte—die Fürstprobstei des Kemptner Klosters, und kleinere Reichsklöster wie Ottobeuren, Elchingen oder Irsee. Für weltliche Fürsten blieb da wenig Platz. Die wichtigsten waren: (i) die Habsburger selbst, nachdem sie 1301 die Grafschaft Burgau im Westen Augsburgs erworben hatten, (ii) die Wittelsbacher, und (iii) die Grafen von Oettingen nördlich der Donau.[5]

Der schwäbische Reichskreis

1376 schlossen sich die Reichsstädte zum schwäbischen Städtebund zusammen, um sich besser gegen die Territorialfürsten—insbesondere Württemberg und Baiern—wehren zu können. Im 15. Jahrhundert folgte der schwäbische Bund, dem auch weltliche und geistliche Herrschaften angehörten, und im 16. Jahrhundert der schwäbische Reichskreis: ein Zusammenschluss benachbarter Herrschaften, um Aufgaben wie die Grenzsicherung und das Münzwesen gemeinsam wahrzunehmen. Der Reichskreis war kleiner als das mittelalterliche Herzogtum: so galt die Schweiz nicht mehr als Teil Schwabens, ebensowenig das Elsass. Das Breisgau zählte als Habsburger-Besitz zum österreichischen Reichskreis.[6]

Augsburg, Ostschwabens Metropole

Die meisten schwäbischen Reichsstädte waren klein: sie zählten allenfalls ein paar tausend Einwohner. Augsburg war ein anderes Kaliber. In der Antike war es als “Augusta Vindelicorum” Hauptstadt der römischen Provinz Rätien gewesen; es lag deshalb an der Schnittstelle mehrerer Römerstraßen, die auch im Mittelalter in Gebrauch blieben. Ein Bischofssitz existierte ab dem 6. oder 7. Jahrhundert, unmittelbar an der bairisch-alemannischen Grenze.[7] Mit dem Aufkommen des Fernhandels im Hoch- und Spätmittelalter wurde Augsburg zu einem wichtigen Handelsplatz und zu einem Zentrum der Textil- und der Montanindustrie (Bergbau).

Jakob Fugger
Augsburgs große Zeit aber kam im 16. Jahrhundert, als Kaufmanns-Dynastien wie die Fugger und die Welser die Stadt zum Mittelpunkt eines weltweiten Handelsnetzwerkes machten. Um 1600 zählte es rund 40.000 Einwohner; gemeinsam mit Nürnberg war es die größte Stadt Süddeutschlands—weit vor München und anderen Residenzstädten. Jakob Fugger, der bedeutendste Unternehmer in Augsburgs Geschichte, diente dem Habsburger-Kaiser Maximilian I. als Hausbankier. Maximilian erhob Jakob 1514 in den Reichsgrafenstand, was jenem erlaubte, Ländereien in Ostschwaben aufzukaufen—ein atemberaubender Aufstieg für eine Familie, die im 14. Jahrhundert noch Weber und Kleinbauern in Augsburgs Umland gewesen waren.

1548 wurde Augsburg zur „paritätischen Stadt“: beide Konfessionen waren zugelassen, Ämter wurden zwischen Katholiken und Protestanten aufgeteilt.[8] Der Dreißigjährige Krieg—der in Ostschwaben Verheerungen anrichtete wie in kaum einer anderen Region—zerstörte auch den Religionsfrieden. Der westfälische Friede stellte ihn 1648 wieder her, seither gedenken ihm die Augsburger alljährlich im ‚Hohen Friedensfest‘.

Bayerische Schwaben

Im frühen 19. Jahrhundert sollte Rudolfs Bollwerk schließlich einbrechen, zerstört vom Weltumwälzer Napoleon Bonaparte. 1803/05 übertrug Napoleon Bayern die meisten Reichsstädte und kirchlichen Gebiete Ostschwabens, als ‘Entschädigung’ für den Verlust der linksrheinischer Besitzungen Bayerns an das revolutionäre Frankreich. Auch die kleineren weltlichen Herrschaften wurden bald zur Verteilungsmasse. Wittelsbacher und Habsburger bekämpften einander heftig und versuchten wiederholt, sich auszumanövrieren. Als sich 1814 jedoch Napoleons Niederlage abzeichnete, verständigten sie sich darauf, dass Bayern seine Ansprüche auf Salzburg, Tirol und das Innviertel aufgab, während Österreich in Schwaben zurücksteckte. 

Ludwig I., Herzog in Schwaben

Bayern sicherte sich schließlich den östlichen Streifen Schwabens zwischen Lech und Iller.[9] König Ludwig I. schuf daraus 1837 den Kreis 'Schwaben und Neuburg', den Vorgänger des heutigen Regierungsbezirks Bayerisch Schwaben—der Name knüpfte bewusst an das  mittelalterliche Herzogtum an. Ludwig startete eine Charmeoffensive: er bereiste das Land, betonte die Herkunft der Wittelsbacher aus dem bairisch-schwäbischen Grenzgebiet, und nannte sich ‚Herzog in Schwaben‘. 

Zugleich überzogen Bayerns Könige das Land mit einer zentralistischen Verwaltung—ein Schock für das zuvor so kleinteilige, multipolare Ostschwaben. Besonders hart traf es Augsburg. Zwar besaß es längst nicht mehr die Bedeutung wie zu Fugger-Zeiten, aber es war doch eine herbe Degradierung, jetzt im Schatten Münchens zu stehen: der von Ludwig entschlossen geförderten bayerischen Residenzstadt, die kaum 60 Kilometer entfernt lag. 
Quelle: E. Buringh (2020), European Urban Population 700-2000

Eine komplexe Identität

Die deutsche Revolution von 1848 fand viel Zuspruch in Bayerisch Schwaben, ebenso die Gründung des Kaiserreichs 1870. Bisweilen hatte die Begeisterung einen anti-bayerischen Anstrich—der jedoch nie das Gewicht erlangte wie etwa in FrankenEine Ursache mag darin liegen, dass, anders als in Franken, nur ein Teil des einstigen Schwaben an Bayern gekommen war—andere Teile wurde von Herrschern regiert, die den Ostschwaben nicht weniger fremd waren, wie den Württemberger Königen.[10] Ein gesamtschwäbisches Bewusstsein konnte da schwer entstehen. Auch empfanden sich die Bewohner Bayerisch Schwabens nicht notwendig als Einheit, stattdessen bildeten sich klein-regionale Identitäten heraus, wie im Allgäu und im Nördlinger Ries. 

Schliesslich erlebte Ostschwaben im 19. und 20. Jahrhundert einen beeindruckenden wirtschaftlichen Aufstieg: seine lange Tradition städtischen Gewerbes hatte es gut auf die moderne Industriegesellschaft vorbereitet. Viele Schwaben sahen ihren Wohlstand als Ergebnis der Eingliederung in den bayerischen Wirtschaftsraum.

Dialekt

Dialekte in Bayerisch Schwaben nach König (2010)
Zum Schluss noch einen Blick auf den Dialekt. Er lässt keinen Zweifel am schwäbischen Erbe der Region: von der Gegend um Aichach abgesehen—die erst 1972 im Zuge einer Gebietsreform zu Bayerisch Schwaben kam und Mittelbairisch spricht—dominieren überall schwäbisch-alemannische Dialekte. Die meisten sind Varianten des Ostschwäbischen, mit Ausnahme der Dialekte des West- und des Oberallgäus, die zum Bodenseealemannischen zählen.[11] ‚Bodenseealemannisch‘ wiederum ist ein Sammelbegriff für Übergangsdialekte, die sich weder dem Schwäbischen (im engeren Sinn) noch dem Hoch- bzw. Höchstalemannischen (=Schweizerdeutsch) eindeutig zuordnen lassen.

Ein anderes Übergangsgebiet liegt in Oberbayern: der Lechrain, die Region zwischen dem Lech im Westen und der Ammer bzw. dem Ammersee im Osten.[12] Der Lechrain war einst gespickt mit Klöstern—Dießen, Steingaden, Wessobrunn—die erst mit der konradinischen Schenkung (siehe oben) firm in den bairischen Einflussbereich gelangten. Viele lechrainer Klöster besaßen Güter in Tirol, nach den Verlusten des dreißigjährigen Kriegs  füllten sie ihr Land mit tiroler Siedlern auf. So mischen sich im Lechrain ostschwäbische, mittelbairische und südbairische (=tirolerische) Elemente zu einer ganz eigenen Mundart. 

Leider ist das „Lechroanische“ auf dem Rückzug—wie die Dialekte Bayerisch Schwabens auch.

 

Der Artikel stützt sich auf eine Vielzahl von Quellen, die wichtigsten sind: Rolf Kießling, „Kleine Geschichte Schwabens“ (2013); Werner König, „Kleiner Sprachatlas Bayerisch Schwabens“ (2007); und der Aufsatz von Pankraz Fried (2012) „Geschichte Bayerisch Schwaben“ auf der Webseite lechrain1.de. Dazu mehrere Artikel aus dem „Historischen Lexikon Bayerns“ und von Wikipedia.

Bildnachweise: sämtlich Wikimedia Commons, mit Ausnahme von "Dialekte in Bayerisch Schwaben", was dem Historischen Lexikon Bayerns entstammt. "Einwohnerentwicklung Augsburg und München” ist eine eigene Arbeit.


[1] Rom nahm daraufhin seine Grenze zurück: sie verlief jetzt entlang der Donau, der Iller, des Bodensees, und des Rheins. D.h. anders als Baden-Württemberg verblieb der Großteil des heutigen Bayerisch Schwaben beim römischen Reich. Es lag jetzt jedoch im unsicheren Grenzland. Augsburg und Kempten—die ältesten Städte im Freistaat—wurden 270 von Alamannen zerstört. Kempten wurde nicht wieder aufgebaut und erst 500 Jahre später als Klostersiedlung neu gegründet.

[2] Für einige Jahrzehnte flüchteten sich die Alemannen unter die Schutzherrschaft des Ostgotenkönigs Theoderich. 536 überließ ein Nachfolger Theoderichs den Franken kampflos das Voralpenland.

[3] Die Karolinger handelten zunächst als „Hausmeier“—d.h. Verwalter—des fränkischen Reichs im Auftrag der Merowinger-Könige, ab Pippin (751) stellten sie dann selbst den König. Alemanniens Schicksal war kein Einzelfall: zwischen 716 und 719 beseitigte Karl Martell das Hedenen-Herzogtum in Würzburg, 788 setzte Karl der Große—Martells Enkel—den Baiernherzog Tassilo ab.

[4] Rudolf ist eine der prägendsten Figuren des Spätmittelalters. Bis zum Alter von 55 Jahren war er ein mäßig bedeutender Graf im südlichen Elsass und im Aargau (heutige Schweiz). 1273 verständigten sich Deutschlands Kurfürsten dann überraschend auf Rudolf als deutschen König. Zum einen wollten sie die chaotische, königslose Zeit des ‚Interregnums‘ beenden. Zum anderen galt es, Ottokar, den König Böhmens, als deutschen König zu verhindern, der nach dem Aussterben der Wiener Babenberger 1246 die Herzogtümer Österreich, Steiermark und Kärnten unter seine Kontrolle gebracht hatte und eine Machtfülle besaß wie kein anderer deutscher Fürst. Ottokar wehrte sich gegen die Ausbootung und zog in den Krieg. Rudolf, gestützt auf eine breite Kriegskoalition, gewann und entzog Ottokar die österreichischen Herzogtümer. 1282 belehnte er damit seine Söhne: die lange Herrschaft der Habsburger über Österreich nahm ihren Anfang.

[5] Burgau war ein Teil ‚Vorderösterreichs‘ und damit des—letztlich erfolglosen—Bestrebens der Habsburger, Tirol und Vorarlberg mit ihren Besitzungen im Elsass und (ab dem 14. Jahrhundert) im Breisgau zu verbinden. 

[6] Der schwäbische Reichskreis war in Viertel eingeteilt (siehe Karte). Dem östlichen Viertel stand das Hochstift Augsburg vor, es entsprach grob dem heutigen Bayerisch Schwaben.

[7] Die Augsburger Bischöfe gewannen überregionale Bedeutung als treue Verbündete der Zentralmacht, die bei Konflikten mit inneren und aüßeren Gegnern meist zu den fränkischen (und später deutschen) Herrschern hielten. Beispiele sind Bischof Simpert—ein Verbündeter Karls des Großen im Konflikt mit dem Baiernherzog Tassilo—und Bischof Ulrich, der Otto den Großen 955 in Kampf gegen die Ungarn half. Im Spätmittelalter verloren die Bischöfe die Kontrolle über die Stadt und verlegten ihre Residenz nach Dillingen an der Donau.

[8] Die Reformation errang in Schwaben wichtige Erfolge, insbesondere den Übertritt der Württemberger Herzöge zum Luthertum. In Ostschwaben behinderten der große Kirchenbesitz und der Einfluss der Wittelsbacher die neue Lehre. Festsetzen konnte sie sich vor allem in den Reichsstädten: Kempten, Memmingen, Lindau und Nördlingen wurden evangelisch, Kaufbeuren paritätisch (wie Augsburg).

[9] Zeitweise (1803-10) ragte Bayern noch tiefer nach Schwaben hinein. Napoleon erzwang jedoch einen Ausgleich zwischen seinen Verbündeten Bayern und Württemberg, und schrieb (über weite Strecken) Iller und Donau als Grenze fest. Damit musste Bayern u.a. Ulm wieder herausgeben—nach Augsburg die bedeutenste schwäbische Reichsstadt. Nur ein paar Ulmer Häuser südlich der Donau verblieben bei Bayern. Aus ihnen sollte sich Neu-Ulm entwickeln, heute nach Augsburg und Kempten die drittgrößte Stadt Bayerisch Schwabens.

[10] Manche betrachten Württemberg als Nachfolger Schwabens. Württemberg war zunächst aber nur eines von vielen schwäbischen Territorien. Nach dem Zerfall des Herzogtums konnten es sein Gebiet vergrößern, aber auch in seiner größten Ausdehnung deckte Württemberg höchstens ein Drittel des einstigen Schwaben ab. Der Norden Württembergs wiederum greift über Schwaben hinaus und liegt im süd- (Heilbronn) bzw. ostfränkischen (Tauberbischofsheim) Sprachgebiet.

[11] Augsburg hat seinen eigenen Stadtdialekt. Dessen Grundstruktur ist zwar eindeutig Schwäbisch, es sind aber bairische Charakteristiken eingesprenkelt. So ist ein Haus in Augsburg ein „Haos“, mehrere davon sind „Haiser“—nicht „Hous“ und „Heiser“ wie im Schwäbischen.

[12] Lechrain bezeichnet eine Landschaft, seine Ausdehnung ist nicht eindeutig festgelegt. Der Süden zählt zum ‚Pfaffenwinkel‘, er hat seinen Namen von den vielzähligen Klöster und Pfarrkirchen der Gegend. 

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