Samstag, 28. Oktober 2023

Regensburg, Kelheim, Landshut, München: die Suche nach der bayerischen Hauptstadt

München ist Bayerns Hauptstadt. Dieser Satz scheint nahezu naturgesetzlich— dabei wurde München erst 1503, am Anfang der Neuzeit, zum unbestrittenen politischen Zentrum des Herzogtums Baiern. Welche Städte nahmen diese Rolle davor ein? Und seit wann gibt es eigentlich so etwas—eine „Hauptstadt“? Und eine „Stadt“? Eine Überblick über die altbayerische Hauptstadts- und Städtegeschichte.

Als das Stammesherzogtum Baiern Mitte des 6. Jahrhunderts in die Geschichte trat, residierten die Agilolfinger-Herzöge in Regensburg, in den Mauern des antiken römischen Legionslagers. Regensburg lag im äußersten Norden ihres Herrschaftsgebietes, aber auch verkehrsgünstig an der Donau. Hatten die Agilolfinger ihre Hauptstadt gut gewählt?

Das stadtarme Frühmittelalter

Iuvavum (Salzburg) in der Antike
Vermutlich gab es keine andere Wahl—denn es gab keine andere Stadt. Im frühmittelalterlichen Baiern lebten die meisten Menschen vom Land, städtische Wirtschafts- und Lebensformen—wie eigenständiges Handwerk oder Dienstleistungen—gab es kaum. Als Herzog Theodo II. um das Jahr 695 Rupert, den Bischof von Worms, beauftragte, einen Sitz für ein bairisches Bistum zu finden, fand dieser nur zwei geeignete Orte: Lorch an der Enns—ein weiteres ehemaliges Legionslager, das aber zu nahe am Awarengebiet lag und vor Angriffen nicht sicher war.[1] Und Salzburg, wo eine romanische Restbevölkerung in den Überbleibseln einer vormaligen Römerstadt (Iuvavum) lebte. Rupert blieb in Salzburg.

Einen ersten, bescheidenen Anfang der Urbanisierung brachte die Einrichtung weiterer Bistümer im frühen 8. Jahrhundert. Neben Salzburg—das zum Erzbistum erhoben wurde—und der Herzogsresidenz Regensburg wurden auch Passau und Freising Bischofssitze (ferner Eichstätt, das aber keine Gründung der Agilolfinger ist). Die Bistümer und—oft ebenfalls vom Herzog gestiftete—Klöster sollten das Land urbar machen, besiedeln und die Bevölkerung christianisieren. An den Bischofssitzen richteten die Baiernherzöge Pfalzen ein: Orte, an denen sie temporär wohnten, wenn sie das Land bereisten. Die zivilen Siedlungen, welche sich um die Bischofssitze bildeten, zählten meist nicht mehr als ein paar tausend Bewohner, vielleicht auch nur ein paar hundert. Für die nächsten 400 Jahre sollten sie die einzigen Städte in Baiern bleiben.[2]

Regensburg: Baierns erste Metropole

Eine Stadt jedoch ragt unter den frühen bairischen Städten heraus: Regensburg. Nicht nur war Regensburg der Hauptsitz der Baiernherzöge, ihr herzoglicher ‚Vorort‘.[3] Aufwertung erfuhr es ausgerechnet durch Karl der Großen, nachdem jener 788 den Baiernherzog Tassilo entmachtet und Baiern fränkischer Kontrolle unterstellt hatte. Karl verbrachte 791-93 Karl zwei Winter in Regensburg, um Baierns Eingliederung zu überwachen. Sein Beispiel machte Schule: spätere Karolinger-Herrscher ließen sich oft für längere Zeitabschnitte in Regensburg wieder, es wurde zur Kaiser- und Königspfalz.

Steinerne Brücke und Dom, Regensburg
Im Hochmittelalter setzte dann der Fernhandel für Luxusgüter ein. Dank seiner günstigen Lage an der Donau wurde Regensburg zum Umschlagsplatz für Waren aus Südosteuropa und dem Orient. Auch der Handel mit bairischem Salz aus Salzburg und Reichenhall lief größtenteils über Regensburg. Eine Schätzung beziffert Regensburgs Bevölkerung im Hochmittelalter auf 40.000 Menschen—damit wäre es Europas größte Stadt nördlich der Alpen gewesen.[4] Andere Autoren gehen allenfalls von der Hälfte aus, aber auch dann hätte es in der Umgebung nichts Vergleichbares gegeben (Tabelle unten).

Mit wachsendem Wohlstand entstand erstmals mal in Baiern ein Stadtbürgertum. Regensburger Patrizier bauten ab dem 12. Jahrhundert „Geschlechtertürme“, die italienischen Vorbildern folgten: vielstöckige Wohnhäuser, die bis zu 40 Meter hoch sein konnten. Sie prägen bis heute das Stadtbild. Regensburgs Händler und Kaufleute waren es auch, die 1135-46 den Bau der „Steinerne Brücke“ über die Donau finanzierten, eines für seine Zeit einmaliges Bauwerks.

Teuer bezahlte Unabhägigkeit

Anfang des 13. Jahrhunderts waren Regensburgs Bürger so selbstbewußt geworden, dass sie die ortsansässigen Fürsten herausforderten: den Bischof und, insbesondere, den Herzog. 1211 erbaten sie sich vom Kaiser ein eigenes Stadtsiegel, 1233 eine Stadtkanzlei. 1245 schließlich erklärte der Staufer-Kaiser Friedrich II. Regensburg für reichsunmittelbar: keine Autorität war Kaiser und Stadt mehr zwischengeschaltet. Für einen Herzog war damit kein Platz mehr—er musste sich eine andere Residenz suchen (siehe unten). Nach rund 700 Jahren endete Regensburgs Zeit als Hauptstadt Baierns.

Freie Reichsstadt Regensburg (Sonderbriefmarke) 
Bekommen ist Regensburg die Unabhängikgeit eher nicht. Baierns Herzöge, deren Territorium die Stadt einschloss, versuchten in der Folgezeit, Regensburg von den Handelsströmen abzutrennen. Auch flaute der Donauhandel ab, als die Osmanen im 14. Jahrhundert nach Südosteuropa vordrangen. Regensburg geriet zunehmend in Isolation. Der Warenumschlag verlagerte sich in andere süddeutsche Städte: Nürnberg und (etwas später) Augsburg. 

Ende des 15. Jahrhunderts erhoben sich Regensburgs Handwerker und forderten die Rückkehr ins Herzogtum. Fast hätten sie ihren Willen bekommen, aber Kaiser Friedrich III.—ein österreichischer Habsburger—gönnte Baiern den Machtzuwachs nicht und bestand auf Reichsunmittelbarkeit. So blieb Regensburg auf sich allein gestellt und verharrte in Stagnation.

Rivalen an der Isar: München und Landshut

Die nächste Phase der Hauptstadtsuche ist eng mit jener Familie verbunden, die Bayerns Geschichte  mehr als 700 Jahre lang prägen sollte: den Wittelsbachern. Im Jahr 1180 setzte Kaiser Friedrich Barbarossa den rebellischen Welfenherzog Heinrich den Löwen ab und übertrug das Amt auf seinen Gefolgsmann, Graf Otto von Wittelsbach. Otto bezog den Herzogshof in Regensburg. Der Drang der Regensburger nach Eigenständigkeit zwang die Wittelsbacher aber bald, sich nach Alternativen umzusehen. Zunächst bevorzugten sie Kelheim, das zum wittelsbacher Hausbesitz zählte und nur wenige Kilometer donauaufwärts lag—bis 1231 ein unbekannter Attentäter dort Ottos Sohn und Nachfolger ermordete. Ohne diesen Mord wäre Kelheim heute möglicherweise Bayerns Hauptstadt.    

Alter Hof, München
Die Wittelsbacher zogen daraufhin nach Landshut. 1255 teilten zwei Brüder, Ludwig II. und Heinrich, das Herzogtum unter sich auf. Ludwig nahm sich das „Oberland“, wählte München als herzogliche Vorstadt, und bezog den „Alten Hof“ am Rand der ummauerten Stadt. Heinrich bekam das „Niederland“ mit Vorstadt Landshut und residierte in der neu erbauten Burg Trausnitz.[5] Ober- und Niederland waren geographische Begriffe, welche die Lage der Teilherzogtümer an der Donau bzw. der Isar beschrieben, mit der Zeit sollten Ober- und Niederbaiern daraus werden.[6]

München und Landshut waren junge Städte, die erst während der hochmittelalterlichen Stadtgründungsphase des 12. und 13. Jahrhunderts entstanden waren. München verdankte seine Gründung dem schon erwähnten Heinrich dem Löwen. Heinrich ließ 1158 die föhringer Isarbrücke niederbrennen, die auf dem Gebiet des Bistums Freising lag, und erbaute eine neue Brücke einige Kilometer weiter südlich—an der Stelle der heutigen Ludwigsbrücke. Damit sicherte er sich Zolleinnahmen, welche zuvor Freisings Bischof abgeschöpft hatte. Landshut ist eine Wittelsbacher-Gründung aus dem Jahr 1204 und entstand aus einem ähnlichen Zwist um eine Isarbrücke, diesmal mit dem Bischof von Regensburg.

Das Spätmittelalter: Baiern verzwergt—und verstädtert

Viermal Baiern
Die Teilung von 1255 war nur der Anfang. In den kommenden 250 Jahren sollte Baiern unzählige Male geteilt, teil-vereinigt, erneut aufgesplittet, wiedervereinigt werden. Zeitweise gab es neben Oberbaiern-München und Niederbaiern-Landshut auch ein Oberbaiern-Ingolstadt und ein Niederbaiern-Straubing, ein Jahr lang (1331/32) sogar ein Niederbaiern-Deggendorf, während die Landshuter Herzöge in Burghausen eine Zweitresidenz unterhielten. Alle diese Städte waren Wittelsbacher-Gründungen des frühen 13. Jahrhunderts—innerhalb weniger Jahrzehnte hatte sich das Gesicht Altbayerns grundlegend geändert.[7]

München und Landshut blieben jedoch die Hauptresidenzen der Wittelsbacher, und Haupt-Rivalen um die Vorherrschaft in Baiern. Beide Städte wuchsen rasch, auch wenn sie Regensburgs einstige Pracht nicht erreichen sollten. Am Ende des Spätmittelalters zählte München vielleicht etwas mehr als 10.000 Einwohner, Landshut etwas weniger. Die benachbarten Bürgerstädte Nürnberg und Augsburg waren um ein Vielfaches größer (Tabelle).

München setzt sich durch

Entschieden wurde der Wettstreit durch die Biologie. 1503 verstarb der Landshuter Herzog Georg der Reiche, ohne einen Sohn gezeugt zu haben.[8] Ein wittelsbacher Hausvertrag von 1329 sah vor, dass Georgs Besitz den ‚überlebenden‘ Linien zufallen sollte, hier: dem Münchner Herzog Albrecht. Georg hatte kurz vor seinem Tod noch versucht, den Vertrag zu umschiffen, indem er seinen Schwiegersohn als Erben einsetzte. Als dies durchsickerte, brach Albrecht den Landshuter Erbfolgekrieg vom Zaun, den er mit Hilfe des Habsburger-Königs (und späteren Kaisers) Maximilian auch gewann.

Die Zeit der Teilungen war vorbei. München hatte sich durchgesetzt und sollte von da an alleinige Hauptstadt bleiben: 1506 erließ Albrecht das sogenannte Primogeniturgesetz, das künftige Landesteilungen verbat.[9] Landshut sank zu einer Provinzstadt herab—wenn auch zu einer besonders schönen.

Folgen der Teilung

Maximilian I., Baiern-Verkleinerer
Politisch waren die Teilungen des Spätmittelalters eine Katastrophe für Baiern. Nachdem die Teilherzöge hauptsächlich miteinander beschäftigt waren, konnten sie sich gegen Zugriff von aussen kaum wehren. Österreich war Baiern bereis im 12. Jahrhundert entglitten, nun verloren die Herzöge auch die Kontrolle über die bairischen Bistümer, insbesondere Salzburg—Sitz des Erzbischofs und damit gewissermassen Baierns geistige Hauptstadt. Tirol fiel im 14. Jahrhundert größtenteils an Österreich, die Oberpfalz ging für 300 Jahre verloren, Lauf und Hersbruck gingen an Nürnberg. Auch der oben genannte Maximilian ließ sich seine Hilfe für Albrecht königlich entlohnen: neben den noch verbliebenen bairischen Gemeinden in Tirol (u.a. Kitzbühel) sicherte er sich das Mondseegebiet im Salzkammergut.

Kulturell jedoch war die Teilungsperiode ein Gewinn. Sie brachten mehrere Residenzstädte hervor, die urbanes Leben in alle Ecken Altbayerns trugen. Bis heute bestimmen die Wittelsbacher-Residenzen, zusammen mit den frühmittelalterlichen Bischofssitzen der Agilolfinger, Altbayerns Städtelandschaft. Die urbane Dichte Frankens oder Schwabens konnte Altbayern damit nicht erreichen, aber ohne die Landesteilungen gäbe es heute möglicherweise nur Regensburg, Passau, Freising, Landshut oder München, und sonst—nicht viel.

Münchens Aufstieg zur Metropole: erst zäh, dann rapide

In der frühen Neuzeit wuchs München stetig, wenn auch nicht sonderlich schnell.[10] Noch zu Zeiten des Teilherzogtums waren das alte Rathaus und die Frauenkirche entstanden. Im 16. Jahrhundert kamen dann (u.a.) die Residenz und die Renaissancekirche St. Michael dazu, im 17. Jahrhundert die barocke Theatinerkirche und Schloss Nymphenburg, im 18. Jahrhundert die Asamkirche und der Englische Garten. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts jedoch schloss München mit rund 30.000 Einwohnern zu Augsburg und Nürnberg auf—obwohl jene Städte ihre große Zeit als Handelszentren da schon hinter sich hatten. Wien oder Berlin hatten längst über 100.000 Einwohner (Tabelle).

Klassizistisches München, 1842
Der Durchbruch zur Metropole kam erst im 19. Jahrhundert. In den 1830er und 1840er Jahren gab Ludwig I. München erstmals ein großstädtisches Aussehen, als er Leo von Klenze und Friedrich von Gärtner mit der Errichtung zahlreicher representativer, klassizistischer Bauwerke beauftragte, die er meist außerhalb der Altstadt ansiedelte. Klenze erbaute zum Beispiel die Glypothtek und die Propyläen auf dem Königsplatz, die alte Pinakothek, den Marstall und den Königsbau der Residenz. Von Gärtner sind u.a. die Universität, die Ludwigskirche, die Staatsbibliothek und die Feldherrenhalle am Odeonsplatz. 

Um 1850 durchbrach München erstmals die Schwelle von 100.000 Einwohnern und war damit die mit Abstand größte Stadt in Bayern. Die Eingliederung in das deutsche Kaiserreich 1871 sorgte für einen weiteren Schub: München wurde zur Metropole Süddeutschlands. Möglicherweise half, dass die übermächtige Konkurrentin Wien jetzt außerhalb der deutschen Grenzen lag. Um das Jahr 1900 erreichte München eine halbe Million Einwohner.

Heute ist München mit 1.5 Millionen Einwohnern nochmal um ein Dreifaches größer—innerhalb des deutschen Sprachraums wird es nur von Berlin (deutlich) und von Wien und Hamburg (knapp) übertroffen. Als kulturelles Zentrum reicht seine Bedeutung über Bayern hinaus, auch dies zumindest teilweise ein Erbe der kunst- und kulturverliebten Wittelsbacher.

Armut macht schön

Landshuter Altstadt
Regensburg und Landshut—Altbayerns ausrangierte Hauptstädte—haben sich ein anderes Erbe bewahrt: atemberaubende Schönheit. Beide Städte durchlitten nach ihrer Glanzzeit lange Stagnationsphasen, während derer die Mittel fehlten, um die mittelalterliche Pracht dem Zeitgeschmack anzupassen. Als Folge zeigen Regensburg und Landshut heute ein nahezu geschlossenes hoch- bzw. spätmittelalterliches Stadtbild—anders als München, das Bauten aller Epochen prägen. 

Aus Sicht dieses Autors ist es keine Überraschung, dass beide Städte in den letzten Jahrzehnten wieder besonders populär geworden sind.   



[1] Lorch liegt am Zusammenfluss von Enns und Donau im heutigen Oberösterreich. Im Jahr 700 wurde es tatsächlich von den Awaren zerstört.

[2] Von den Beschofssitzen war nur Freising eine wirkliche Neugründung. Passau, Regensburg und Salzburg haben alle römische Wurzeln.

[3] Die Existenz eines eindeutigen Vororts wie in Baiern ist im Frühmittelalter keineswegs selbstverständlich: Herrscher zogen oft von Pfalz zu Pfalz ohne festen Bezugspunkt.

[4] Die ursprüngliche Quelle ist wohl Josiah Cox Russell (1972), „Medieval Regions and their Cities”. Russell meldete  selbst Zweifel an dieser Zahl an („Basle and Regensburg are two cities whose populations are not easy to define in the pre-plague period“), und spätere Schätzungen korrigierten die Zahl meist deutlich nach unten. Russell’s Zahl hat sich jedoch verselbständigt und wird meist als Fakt ohne Quellenangabe oder Kontext wiedergegeben.

[5] Die Teilung war an sich rechtswidrig, denn herzogliche Lehen durften nicht aufgesplittet werden. Sie geschah im kaiserlosen „Interregnum“ des 12. Jahrhunderts, als die Zentralmacht zu schwach war, um das Recht durchzusetzen.

[6] Die mittelalterlichen Teilherzogtümer sind nur lose mit den heutigen Regierungsbezirken Ober- und Niederbayern verbunden. Letzteres sind historisierende Begriffe, die König Ludwig I. 1837 dem Isar- bzw. Unterdonaukreis gab, die sein Vater Maximilian und Graf Montgelas erst 1817 geschaffen hatten. Niederbaiern z.B. war deutlich größer als Niederbayern, es umfasste u.a. das Chiemgau, das Berchtesgadener Land, die Gegend um Mühldorf und Altötting, und das (heute österreichische) Innviertel.

[7] “Gründung“ bedeutet nicht notwendig, dass dort vorher gar nichts existierte. In München z.B. gab es bereits eine (namensgebende) Mönchssiedlung, in Burghausen eine (ebenfalls namensgebende) Burg und einen Markt, und Straubings Besiedlungsgeschichte reicht zurück bis in die Römerzeit.

[8] Alle Landshuter Herzöge des 15. Jahrhunderts trugen den Namenszusatz „der Reiche“, u.a. weil die ertragreichen Salzbergwerke von Reichenhall zu Niederbaiern gehörten. Georgs spektakuläre „Landshuter Hochzeit“ mit einer polnischen Königstochter im Jahr 1475 wird heute alle vier Jahre im Rahmen eines Volksfestes nachgespielt.

[9] Eine Ausnahme gab es dann doch noch: Albrechts Söhne, Wilhelm und Ludwig, einigten sich 1514 nochmals auf die Teilung des Landes—allerdings unter Bedingung, dass der jüngere Ludwig nicht heiraten und so keine erbfähigen Kinder zeugen würde. Von 1537 bis 1543 ließ Ludwig die Landshuter Stadtresidenz erbauen, den ersten Renaissancepalast Deutschlands.  

[10]  Auch wurde das Wachstum wiederholt von Epidemieausbrüchen und anderen Katastrophen unterbrochen. Baierns politische Geschichte der frühen Neuzeit ist zu komplex, um sie innerhalb dieses Artikels zu darzustellen. Sehr grob verkürzt war das wiedervereinigte Baiern zunächst ein relativ unbedeutender Mittelstaat, der zudem in kostspielige Auseinandersetzungen um Reformation und Gegenreformation hineingezogen wurde. Zwei fähige und langlebige Herzöge—Maximilian I. (1597-1651) und sein Sohn Ferdinand Maria (1651-79)—konsoliderten dann den Staatshaushalt, gaben Baiern eine moderne, früh-absolutistische Verwaltung, und lenkten das Land geschickt durch den 30-jährigen Krieg. U.a. kam die Oberpfalz 1623 größtenteils zurück zu Baiern, und der Herzog erlangte die „Kurwürde“: er war einer von sieben (später 8 bzw. 9) Fürsten, die den deutschen König wählten. Die nachfolgenden Kurfürsten versuchten, die Führungsrolle der Habsburger in Deutschland anzugreifen—und scheiterten, was Baiern im frühen 18. Jahrhundert mehrfach an der Rand seiner Existenz brachte. Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts war dann erneut eine Phase der Konsolidierung, bevor die napoleonischen Kriege das moderne Bayern hervorbrachten.


Bildnachweise: wikimedia commons, bis auf "Einwohnerentwicklung ausgewählter Städte (eigene Arbeit)

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