Im Wintersemester 2024/25 waren mehr als 400.000 Studierende an 59 bayerischen Hochschulen eingeschrieben, von forschungsstarken Großuniversitäten—wie der Ludwigs-Maximilians-Universität oder der Technischen Universität München—bis zu Nischeninstituten. Seit wann gibt es Universitäten in Bayern? Und wie kam es zu dieser Vielfalt? Ein Überblick über die Hochschulgeschichte des Freistaats.
Europäische Anfänge
Die Universität ist eine Schöpfung des Mittelalters. Als älteste Universität Europas gilt Bologna—angeblich gegründet 1088, was aber vermutlich 50 Jahre zu früh datiert ist.[1] Im 12. Jahrhundert folgten Paris und Oxford.
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Frühe Universitätsgründungen |
Mit der Zeit bildete sich eine Standard-Universitätsverfassung
heraus, der fast alle Hochschulen folgten. Entscheidend war der Erwerb eines
kaiserlichen und/oder—je nach Machtverhältnissen—päpstlichen Privilegs: es
sicherte den Universitäten Unabhängigkeit von lokalen Machthabern zu, also Steuerfreiheit,
eine unabhängige Gerichtsbarkeit, und freies Geleit—Lehrende wie Lernende standen
unter Schutz, wenn sie auf dem Weg zur Bildungsstätte fremde Territorien
durchquerten.
Die Universität kommt nach Deutschland...
Das abendländischen Schisma des 14.
Jahrhunderts löste eine neue Gründungswelle aus, die diesmal auch Deutschland
umfasste. Die Anziehungskraft italienischer und französischer Universitäten litt
unter den rivalisierenden Päpsten in Rom und in Avignon, deutsche Studenten brauchten
Alternativen. Die älteste ‚deutsche‘ Universität gründete Kaiser Karl IV. 1348 in
Prag. 1365 zog der Habsburger-Herzog Rudolph mit der Rudolfina in Wien nach, 1386
der Wittelsbacher Pfalzgraf Ruprecht I. mit der Universität Heidelberg. Die erste
Universität auf (heute) bayerischem Boden entstand in Würzburg, gegründet von Bischof
Johann von Egloffstein im Jahr 1402—allerdings musste sie nur wenige Jahre später
wegen finanzieller Schwierigkeiten wieder schließen.
... und nach Baiern
Hohe Schule Ingolstadt |
Hauptmotiv für eine Universitätsansiedlung war Prestige: jeder Landesherr, der es sich leisten konnte, gönnte sich
eine Unversität. Im Bereich des heutigen Freistaats Bayern folgten auf Ingolstadt:
·
1553: Dillingen an der Donau, in der
Residenzstadt der Augsburger Bischöfe;
·
1582: die Zweiteröffnung der
Universität Würzburg durch Fürstbischof Julius Echter, diesmal mit dauerhaftem
Erfolg;
·
1623: Altdorf, als Universität der
Reichsstadt Nürnberg;
·
1647: Bamberg durch die dortigen Fürstbischöfe;
·
1742: Bayreuth durch die Hohenzollern-Markgrafen—die
nur ein Jahr später die Universität nach Erlangen verlegten.[4]
Organisation und Sozialstruktur
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Vorlesung um 1500 |
Vorausgesetzt, ihre Familien konnten sich das Studium leisten. Egalitär waren die frühen Universitäten nicht: adlige Studenten—in Ingolstadt knapp ein Fünftel der Studentenschaft—genossen Privilegien, wie die Befreiung von Prüfungsverpflichtungen. Und doch wurden die Universitäten mit der Zeit zu einem Vehikel der sozialen Durchlässigkeit. Akademische Titel wie Magister oder Doktor verliehen Prestige und schufen den Kern einer intellektuellen Elite, die neben die althergebrachten Stände des Adels und des Klerus trat.
Wer zahlt, schafft an
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Julius Echter von Mespelbrunn: Fürstbischof, Universitätsgründer, Gegenreformator |
Im Gegenzug verlangten die Landesherren Einfluss, was die Universitäten in politische Auseinandersetzungen verwickelte. Ingolstadt, Dillingen und Würzburg kamen im 16. Jahrhundert unter die Kontrolle des Jesuitenordens, und wurden zu intellektuellen Speerspitzen der katholischen Gegenreformation. Umgekehrt war Altdorf Hort eines kaum weniger dogmatischen Luthertums und evangelische Vorzeigeuniversität, bis Erlangen ihm im 18. Jahrhundert den Rang ablief. Die Dogmatisierung rächte sich mit der ab circa 1720 einsetzenden Aufklärung, als modernere und von freierem Geist getragene Gründungen wie Göttingen oder Halle die süddeutschen Universitäten in den Schatten stellten.
Die zentralbayerische Zäsur
Im Zuge der napoleonischen Kriege fielen Kurfürst (und später König) Maximilian Joseph und seinem Minister Montgelas mit den fränkischen und schwäbischen Territorien auch die ortsansässigen Universitäten zu. Ganz im
zentralistischen Geist der Zeit wollten
sie nur eine einzige Landesuniversität zulassen: Landshut, wohin die altbayerische
Universität 1800 umgezogen war, um dem Ansturm napoleonischer Truppen auf die Militärfeste
Ingolstadt zu entgehen. Zwei Universitäten in Franken vermochten sich zu
wehren: Würzburg überzeugte die Staatsführung, dass es sich selbst versorgen könne
und keine Zuschüsse benötige. Und Erlangen argumentierte erfolgreich, es werde
für die Ausbildung lutherischer Theologen gebraucht. Altdorf, Bamberg und
Dillingen aber wurden geschlossen.
Die nächsten 160 Jahre sollten diese drei Universitäten Bayerns akademische Landschaft bestimmen: die Ludwigs-Maximilians Universität (LMU)—welche König Ludwig I. 1826 von Landshut in seine Hauptstadt München holte—die Julius-Maximilians Universität Würzburg, und die Friedrich-Alexander Universität Erlangen (seit 1961 mit einem Zweitsitz in Nürnberg).[5]
Frischer Wind aus dem Norden—und aus der
Praxis
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Wilhelm von Humboldt |
Die Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzende
Industrialisierung schuf eine neue Herausforderung: Bedarf an gut ausgebildetem,
technischem Fachpersonal. Die Forschungsunversitäten konnten diesen Bedarf nicht
abdecken. So entstand eine zweite Gruppe von Hochschulen, die sich stärker am
praktischen Nutzen orientierten. Eine wichtige Gründung war die 1868 von König
Ludwig II. eingerichtete polytechnische Schule München, die sich auf die Ingenieursausbildung
konzentrieren sollte. Schon 1877 wurde aus ihr die Technische Hochschule München,
deren Fächerkanon breiter angelegt war, mit einem zweiten Schwerpunkt in den
Naturwissenschaften. 1901 erwab sie das Promotionsrecht, und 1970 wurde sie
umbenannt in Technische Universität (TU) München. Heute ist die TU München
neben der Ludwig-Maximilians Universität Bayerns größte und forschungsstärkste
Universität.
Jüngere Entwicklungen
Drei Entwicklungen bedürfen noch der Erwähnung.
Erstens der Brain-Drain in der Zeit des Nationalsozialismus. Scharenweise verließen
führende Wissenschaflter Deutschland, wovon sich die Universitäten bis heute
nicht erholt haben. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: gingen im
Kaiserreich und in der Weimarer Republik fast ein Drittel aller naturwissenschaftlichen
Nobelpreise nach Deutschland—und 6 Prozent nach Bayern—so fielen diese Ziffern
nach 1945 auf 8 bzw. 2 Prozent.
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Geplanter Campus der TU Nürnberg |
Kaum überblickbare Vielfalt
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Bayerische Hochschulen heute |
Die größten Hochschulen Bayerns sind die TU und die LMU München mit jeweils 54.000 Studierenden—dies macht sie auch zu den größten Präsenz-Universitäten Deutschlands. Es folgen Erlangen-Nürnberg mit 40.000 und Würzburg mit 26.000 Studierenden: die Universitäten des 19. Jahrhunderts sind zwar nicht mehr allein, führen aber weiterhin.
Und die kleinste? Ist die Hochschule für evangelische Kirchenmusik in Bayreuth, mit 24 Studierenden.
Bildnachweise: sämtlich Wikimedia Commons, mit Ausnahme von "Vorlesung um 1500" (Universitätsarchiv Freiburg via Historisches Lexikon Bayerns) und "Bayerische Hochschulen heute" (CEUS Universität Bayreuth).
[1] Parma und die Medizinschule von Salerno erheben den Anspruch, noch älter als Bologna zu sein, aber der Gehalt des Anspruchs lässt sich kaum überprüfen—auch weil umstritten ist, ab wann genau eine „höhere Schule“ als Universität zählt.
[2] Viele
Landshuter Teilherzöge des späten Mittelalters trugen den
Beinamen „der Reiche“. Ihr Wohlstand
speiste sich vor allem aus der Kontrolle der Salzminen um Bad Reichenhall. Die mit den Landshuter
Teilherzögen konkurrienden Münchner Teilherzöge fassten in 1480er Jahren
eine Universitätsgründung in Regensburg ins Auge, scheiterten aber am Verbot
Kaiser Friedrichs III., die freie Reichststadt in das Teilherzogtum einzugliedern.
Mit der Vereinigung der bairischen Teilherzogtümer 1503 (unter Münchner
Führung) wurden
solche Pläne obsolet.
[3] 1537 verlegten die Baiernherzöge zudem die Armee nach
Ingolstadt. In der Folgezeit kam es immer wieder zu Konflikten zwischen
Studenten und Soldaten.
[4] In Fürth gab es ab 1606 eine
Jeshiwa, spezialisiert auf die Ausbildung jüdischer Rabbiner.
[5] Für die Universitäten München und Würzburg ist Kurfürst Maximilian Joseph der
zweite Namensgeber, neben den eigentlichen Gründern Herzog Ludwig IX. und
Julius Echter. Erlangen ist nach zwei Hohenzollern-Markgrafen benannt.